Image

Da wächst zusammen, was zusammengehört

Image

Schwäbische Zeitung, 9. März 2018

Da wächst zusammen, was zusammengehört

65 Musiker der Neuen Philharmonie Berlin und eine neunköpfige Latin-Jazz-Band um die Biberacher Perkussionistin Julia Diederich haben am Mittwochabend die vollbesetzte Stadthalle zum Kochen gebracht. Diederichs über Jahre gereifte Idee, Klassik und Latin Jazz in einem Cross-Over-Konzert zusammen zu bringen, fand mit dem ambitionierten Projekt „Latin-Jazz Sinfónica!“ eine grandiose Realisation.

Unter dem deutsch-russischen Dirigenten Andreas Schulz und mit dem singenden Moderator Rainer Lenz aus Freiburg wuchs über alle Genregrenzen hinweg zusammen, was zusammengehört, komponiert und arrangiert von Christoph König. Er glänzte auch als virtuoser Sologeiger ebenso wie Julia Diederich, die souverän an verschiedensten Perkussionsinstrumenten agierte.

Die zunächst ungewohnte Anordnung des riesigen Ensembles, dem die Stadthallenbühne fast zu klein wurde, stellte keine geringe Herausforderung für den Mann am Mischpult dar. Das Orchester spielte hinter Plexiglas im Bühnenhintergrund und auf derselben Ebene davor zelebrierte die eigens zusammengestellte Latin-Jazz-Band mit einem Sammelsurium an Perkussions- und Schlaginstrumenten die Leichtigkeit des Jazz in Verbindung mit der expressiven Leidenschaft lateinamerikanischer Musik.

Schien zu Beginn des Konzerts das durchaus inspiriert aufspielende Orchester mit seinen jungen, experimentierfreudigen Musikern eher als ein für Popmusik durchaus typischer Klangteppich in dienender Funktion im Background zu wirken, so wurde im Verlauf des Abends die Klangbalance immer besser. Das Orchester wurde zunächst zum Sahnehäubchen und schließlich zum vollwertigen Partner auf dem Weg ins musikalische Neuland.

Anspruchsvolle Kompositionen und Arrangements, alle spezifisch für diese Besetzung orchestriert, brachten die Komplexität lateinamerikanischer Rhythmen in verschiedenen, sich häufig überlagernden Metren mit der differenzierten Klanglichkeit und Ausdruckstiefe des klassischen Orchesters und den virtuosen Improvisationen gestandener Jazz- und Latin-Musiker zusammen. Und das Schönste daran: Es funktionierte – oft genug sogar mit Gänsehauteffekt. Selbst das c-Moll-Präludium von Johann Sebastian Bach, aufgrund seines Tempos auch als „Nähmaschinen-Präludium“ bezeichnet, wurde in Paquito D’Riveras rasanter Jazz-Samba „To Brenda With Love“ in der seinem Orchester wie auf den Leib geschriebenen Bearbeitung von Christoph König bruchlos mit der Avantgarde unserer Tage verschmolzen. Das Orchester entwickelte in Präzision und zupackender Dynamik durchaus Bigband-Qualitäten.

Inspirierende Kompositionen

Die wenigen echten Vorbilder dieses ganz besonderen Crossover-Stils, etwa der als Opener gespielte „Main Title“ aus dem Film „Havanna“ von Sidney Polack, das mitreißende „Cuban Sugar“ von den Klazz Brothers oder Stücke aus der Feder von Pat Metheny fanden in dieser Formation ihre wahren Meister. Inspirierte und inspirierende Eigenkompositionen von Julia Diederich, das ruhig pulsierende „Vioxx“, die pittoresk eindringliche Wolfskomposition „Lupo“ oder das in verhaltener Sehnsucht verweilende „Skyflight to the light“ und neben diversen Mambos, Sambas und Boleros besonders auch Königs tiefsinnige Werke, herausragend der Jazzwalzer im 5/4-Takt „Little Waltz in 5“, ließen das Ensemble zur Hochform auflaufen.

Die Spielfreude war zu hören und zu sehen, die Begeisterung fast mit Händen zu greifen und der Abend hätte über diverse Zugaben ruhig auch nahtlos in eine heiße Tanzpartie übergehen können. Einen ersten Vorgeschmack lieferten Julia Diederich und Andreas Schulz mit einer spontanen Tanzeinlage zum Bolero.

Image